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“Erfolg ist planbar, Meisterschaften nicht”

C1- Trainer Ralf Ludwig im Interview über die kommende Oberliga-Saison, den Spagat zwischen Ehrgeiz und Spaß und wie es ihm gelingt an der Seitenlinie ruhig zu bleiben. Oder, wie er es zumindest probiert.

(Hinweis: das Interview wurde vor dem gewonnen Saisonauftakt gegen TuS Griesheim geführt. Zum Spielprotokoll)

Ralf, Rundenstart am Sonntag gegen Griesheim. Zu früh, zu spät oder genau richtig?

Ich würde sagen, eher zu spät. Es wird langsam Zeit. Wir haben mit der Jugend im Prinzip ein halbes Jahr gar kein Pflichtspiel mehr gehabt. Ein Pflichtspiel, wenn du so willst, gegen Griesheim. Es wird Zeit. 

Zum Spielplan der mC1

Was hat dir in der Vorbereitung besonders gut gefallen?

Besonders gut gefallen hat mir, dass wir alle engagiert dabei waren. Dass wir immer wieder auch Highlights hatten. Wir hatten viele tolle Spiele. Viele Spiele, bei denen wir gesehen haben, wie gut wir spielen können. Man hat aber auch gesehen, wie weniger gut wir spielen können, wenn es mal nicht so läuft. (lacht) 

Ja, und an sich hat es Spaß gemacht, die Entwicklung der Jungs zu sehen und festzustellen, dass wir zu den besseren Mannschaften gehören. Und es macht einfach Spaß, mit den Jungs zu arbeiten. 

Welche Bedeutung hat für dich der Hessen-Meistertitel im Beach-Handball?

Das hat einen hohen Wert für mich, für uns. Einen Titel zu holen ist immer schön, auch mit den Kindern. Und es macht dann am Ende aller Tage auch einfach Spaß zu gewinnen. Es ist ja immer schwierig, das Vabanquespiel Entwicklung und Gewinnen zu meistern. Aber Beach-Handball ist ja ohnehin etwas, was man mit Spaß betreibt und da haben wir uns einfach in einem Jahr so mächtig entwickelt. Da sieht man auch, welche individuelle Klasse die Mannschaft hat und die haben das so, so mega gemacht. Also das war einfach toll.

Und letztlich ist es dann doch wieder was anderes, wenn du einen Titel und das Bild hast mit dem Hessen-Meistertitel hast und es hat eine ganz andere Präsenz, als wenn man Zweiter ist. Insofern war das schon ganz toll und es war für uns alle ein Riesenerlebnis.

Du sprichst es an: Es gibt da auf der einen Seite den großen sportlichen Ehrgeiz, den Wunsch immer besser zu werden. Auf der anderen Seite sind das am Ende des Tages auch Kinder bzw Jugendliche und keine Profisportler. Wie kriegt man das austariert? Wie gut gelingt dir das? 

Das gelingt mir zunehmend schlecht. (lacht) Aber ich weiß, dass immer dann, wenn die Emotion oder wenn Ruhe einkehrt, bin ich schon sachlich genug, um zu wissen, dass es eigentlich um die Entwicklung der Kinder geht. Wir hatten letztes Jahr ein paar Dinge, die haben sehr gut funktioniert und jetzt haben wir aber noch mal andere Spieler dazubekommen und können ein bisschen variabler spielen. Und da entwickeln sich einfach ganz andere Möglichkeiten. Das klingt dann komisch, du bist vielleicht auf dem Spielfeld einen Ticken schlechter momentan, aber die Jungs entwickeln sich besser, weil sie einfach wieder neue Felder erschließen. Und das musst du einfach auch aushalten. Aber letztlich will man trotzdem das Spiel gewinnen. Also es ist schwierig, aber ich gehe da nicht von der Linie ab, dass ich dann doch immer wieder auch im Training mehr individuell trainiere und nicht mannschaftstaktisch. 

Erfolge führen meistens auch zu einer gesteigerten Erwartungshaltung im Umfeld. Nimmst du diese wahr?

Das mag sein, nehme ich selbst aber kaum wahr. Also die Erwartungshaltung ist jetzt einfach da, weil wir sechs Hessen-Auswahlspieler haben. Soviel hat keine andere Mannschaft. Und da könnte man jetzt vermuten, dass wir vorne mitspielen müssen. Aber das ist halt immer nur ein Teil der Wahrheit. Also wir müssen auch als Team noch zusammenwachsen. Und wie gesagt, ich trainiere sehr individuell und die Spieler haben sich ja deshalb so gut entwickelt. Wir haben so viele Auswahlspieler, weil sie sich individuell so gut entwickeln. Wenn es dann um Mannschaftaktik geht, sind andere Mannschaften mit Sicherheit genauso gut oder vielleicht noch einen Ticken besser. Und dann kommt es auch sehr auf Tagesform an. Also ich sage immer, Erfolg ist planbar, Meisterschaften nicht. Insofern sollten wir genau den Satz auch herauskehren. Wir sind in den letzten paar Jahren sicherlich sehr erfolgreich und gerade diese C-Jugendmannschaft ist sehr erfolgreich und wird auch jetzt wieder erfolgreich sein. Was da am Ende rauskommt, ist mehr oder weniger eigentlich zweitrangig, wenngleich es auch unser aller Ziel ist, um die Hessen-Meisterschaft mitzuspielen. Den Meistertitel, den sehe ich als sehr schwierig an, da gibt es andere Top-Mannschaften. Aber letztlich werden wir erfolgreich sein, weil wir in der Oberliga eine gute Runde spielen werden. Was da jetzt rauskommt, weiß ich nicht. Und die Jungs entwickeln sich gut und viele werden einfach gute Handballer werden und das ist dann ja im Prinzip das, was wirklich zählt. 

Du hast es angesprochen, andere Teams sind mindestens genauso weit oder weiter. Wen hast du da auf dem Zettel? Oder lässt sich das noch nicht sagen?

Doch, das lässt sich ziemlich gut sagen, auch wenn es immer wieder Überraschungen gibt. Im Süden werden Nieder-Roden und wir sicher eine gute Rolle spielen, wobei ich da auch noch durchaus Bensheim und auch Großwallstadt mit auf dem Zettel habe. In der Mitte ist es natürlich ein bisschen breiter besetzt, aber da ist Schierstein aktuell das Nonplusultra. Die haben auch am Wochenende ein Turnier mit allen guten Teams haushoch gewonnen. Wir haben da ja auch mal mit 14 Toren verloren und wissen wie schwer das ist. Dann kommt dahinter natürlich Hüttenberg mit ihrer Kooperation mit Dudenhofen, die nur 09er haben und sieben acht mal die Woche trainieren können. Also da wird sich im nächsten halben Jahr auch wieder was entwickeln. Und dann ist Hanau natürlich wieder mit dabei und Münster. Und im Norden werden es Melsungen und Baunatal sein. Und unter den Mannschaften wird es dann letztlich um das Final Four gehen. Also man muss in der Runde irgendwie versuchen, unter die ersten zwei zu kommen. Idealerweise sollte man Erster werden. Na klar, das will jeder. Aber unter diesen Top sechs Mannschaften, die dann am Ende rauskommen, wird sich herauskristallisieren, wer am weitesten ist. Ich hoffe, dass wir dabei sein können, aber auf jeden Fall werden da Schierstein, Dudenhofen, Eintracht Baunatal und Nieder-Roden dabei sein. Das sind so die Topteams im Moment. Und alleine gegen diese Teams mithalten zu können, ist ja schon mal Hammer. Uns muss man allerdings auch erstmal schlagen. 

Jetzt bist du in erster Linie als Trainer im Erwachsenenbereich tätig gewesen. Was würdest du sagen, sind die großen Unterschiede zwischen den Zweit- und Drittliga-Teams, die du bei den Erwachsenen gecoacht hast und diesen Jungs hier? Und was sind die Gemeinsamkeiten? 

(lacht) Also der Riesenunterschied ist das taktische Verständnis für den Sport. Der ist bei den Kindern noch überhaupt gar nicht vorhanden. Das muss man entwickeln. Und ich weiß auch jetzt wieder gar nicht, wie wichtig das schon ist, in so früher Zeit taktisch zu arbeiten. Das ist ein Riesenunterschied, dass du im Prinzip die Stärken, die ja auch ein Trainer hat, das taktische Verständnis, nicht auf das Team kurzfristig übertragen kannst. Das kriegst du da nicht hin, weil du noch viel zu viel im individuellen Bereich arbeiten musst.

Die große Gemeinsamkeit ist, dass den Großen wie den Kleinen dieser Sport halt wahnsinnig viel Spaß macht. Es wird ja immer gesagt, leistungorientiert spielen und Spaß haben passt nicht zusammen, aber das stimmt nicht.  Also wir hatten der zweiten Liga Riesenspaß, vor allem auf den Busfahrten auswärts. Also da sind schon viele Gemeinsamkeiten. Und ich glaube einfach, dass die Begeisterung an dem Sport bei allen Teams vergleichbar ist.

Natürlich ist es, mit Kindern zu arbeiten was ganz anderes, weil du da ja eigentlich Jugendliche hast und die Volatilität in der Leistung von den Kindern einfach krass ist. Also man hält es nicht für möglich, wie schlecht die plötzlich spielen können, wenn auch mal im Spiel Krise auftritt. Und das ist im Erwachsenenbereich nicht so krass. Da hast du auch ein paar Spieler, die fangen sich und dann hast du auch vielleicht Mechanismen erarbeitet, die dir in der Situation helfen. Das hast du halt bei den Kindern noch nicht. Also wenn es da dumm läuft, läuft es plötzlich bei acht Leuten so schlimm, dass du denkst, was ist denn jetzt los?. Gut, da bin dann vielleicht auch ich gefragt, der dann mal ein bisschen Ruhe reinbringt. Aber ich rege mich natürlich dann von Natur auch auf. (lacht) Aber gut, unterm Strich ist das Jammern auf sehr hohem Niveau. Das ist alles wunderbar. 

Du sprichst deine Handball-Leidenschaft an. Hättest du ein Problem damit, wenn du bei dem Wikipedia-Eintrag zu “handballverrückt” mit deinem Bild auftauchen würdest?

(Lacht) Nein, überhaupt gar nicht. Das ist so. Positiv handballverrückt. Und das macht auch Riesenspaß, da stehe ich mittlerweile auch dazu.

Und wie kommst du dann runter nach so einem Spiel, wenn du auf 180 bist? Im Guten wie im Schlechten?

Ach, ich habe, glaube ich, ein ganz gutes Gespür, dann doch wieder realitätsnah zu sein. Da bin ich zu erfahren mittlerweile, da habe ich mich relativ schnell wieder eingekriegt. Es ist für mich aber auch wichtig, dass ich mit anderen Leuten rede. Da habe ich so zwei, drei Leute in meinem inner circle, die das auch beurteilen können und mir helfen, das richtig einzuordnen und dann motiviere ich mich schnell wieder. Am liebsten würde ich dann am selben Abend auch wieder trainieren. Ich bin dann in der Verbesserungschleife und überlege, was haben die anderen jetzt besser gemacht als wir? Was können wir lernen? Bei wem können wir lernen? Wie können wir lernen? Was müssen wir uns bei anderen abgucken. Diese Dinge, das ist, das ist es dann, was mir durch den Kopf geht. Aber da bin ich schon klar genug, dass es auch mal gut sein muss. 

Du hast ja auch ein gutes familiäres Umfeld, was dich da vielleicht auch mal ein bisschen runterholt… 

Das stimmt…

gleichzeitig aber die kuriose Situation, dass du deinen eigenen Sohn Ben trainierst. Ist das schwerer für dich oder für ihn?

Ich glaube, dass es für uns beide sehr schwierig, aber für ihn ist es extrem schwierig. Natürlich bin ich auch da sehr ehrgeizig. Ich meine, so viel Zeit, in so eine Jugendmannschaft zu stecken mit der Qualifikation und allem was dazugehört, das mache ich ja schon aus dem Antrieb, auch etwas für meinen Sohn zu tun. Es wäre gelogen, wenn ich was anderes sagen würde. Natürlich macht es mir auch sehr viel Spaß zu sehen, wie sich die anderen Jungs entwickeln, aber als Handballverrückter freut es mich noch mehr, wenn ich das bei meinem Sohn sehe. 

Also das ist ein schwieriges Verhältnis, da verhalte ich mich teilweise sicherlich nicht ganz gut. Er macht das relativ gut. Aber das ist einfach so, es ist alternativlos, das müssen wir aushalten. Das war mit meiner Tochter im Übrigen genau dasselbe. Und das ist teilweise noch viel mehr eskaliert. Aber als es dann zu Ende war und sie andere Trainer gehabt hat – mittlerweile hätte sie es, glaube ich, schon ganz gerne wenn ich sie wieder trainieren würde.

Das ist doch ein schönes und selbstbewusstes Schlusswort. Ich danke dir für das Gespräch!

(Das Interview führte Arne Henkes)